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Die Geschichte der Villa Rot

Das Phänomen Villa Rot verdankt viele seiner Besonderheiten einer wechselvollen Geschichte. Im Zentrum steht die historische Entwicklung des Gebäudes von einem privaten Wohnhaus hin zu einem renommierten Museum für Gegenwartskunst und einem unverwechselbaren Ort für intensiven Kammermusikgenuss. Es ist eine spannende Geschichte entlang der Biografien der Hausbewohnerinnen und Hausbewohner, die mit ihrer Sammlung den Grundstein für das Museum legten; der Hoenes-Stiftung, die das Fuggerschlössl zum Museum umbaute; der Museumsleitungen der ersten Jahre, zuerst Dr. Norbert Deuchert, danach Dr. Stefanie Dathe, die den Ruf der Villa Rot als überregional geachtetes Haus der Kunst- und Kulturgeschichte nachhaltig prägten; und schließlich des Künstlers Willi Siber, der mit der Zustiftung der modernen Kunsthalle dem Ausstellungshaus neue Möglichkeiten eröffnete, da nun Platz für raumgreifende Skulpturen und Installationen geschaffen war.

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Villa Rot

Die Villa wurde 1912 von Freiherr Raymund Fugger (1870 – 1949), der einer Nebenlinie der Augsburger Fugger entstammte, auf der Anhöhe, ins Tal der Rot blickend, erbaut. Der Architekt Balthasar von Hornstein-Grüningen (1873 – 1920) band den vorhandenen, alten Baumbestand in die Planung des Parks mit ein und es entstand ein Landschlösschen, Fuggerschlösschen genannt, im Stilpluralismus mit gekonnt gemischten barocken, klassizistischen und Jugendstil-Elementen.

Alexandra von Hornstein (1903–1932), die aus dem benachbarten Schloss Orsenhausen stammte, erwarb 1925 das Anwesen, das leergeräumt übergeben wurde. Sie lebte im Schlösschen zusammen mit Feodora Christ, einer Schulfreundin aus gemeinsamen Internatsjahren, bis zu ihrem Freitod. Im Jahr 1933 übernahm Feodora Christ das reiche Erbe von Alexandra von Hornstein – das Fuggerschlösschen mit Inventar und anderen Vermögensteilen – und heiratete den Musiker und angehenden Dirigenten Hermann Hoenes. Hermann Hoenes (1900–1978) und seine Frau Feodora (1903–1983) bewohnten in den folgenden Jahrzehnten bis zu ihrem Tod Haus und Park.

Sie machten die Villa nach 1945, kaum bemerkt von außen, zu einer stillen Stätte der Musik und Kunst, zu einem Zentrum für einen bedeutenden, oft von weit her anreisenden Freundeskreis. Doch der Rückzug in das stille Tal der Rot war für den weltgewandten jungen Dirigenten Hoenes, dem eine bedeutende Karriere vorhergesagt worden war, mit einem hohen Preis erkauft: mit dem in der Zeit des Nationalsozialismus erzwungenen Verzicht auf seinen  idealen Beruf des Dirigenten.

Hermann Hoenes besaß bereits Ende der zwanziger Jahre im deutschen Musikleben als Cellist und Mitglied bekannter Orchester und Quartette einen klangvollen Namen. Er wirkte von 1932 bis 1935 als Cellist und stellvertretender Dirigent im Reichs-Symphonie-Orchester. Noch das Entlassungsschreiben bestätigt die Qualifikation von Hoenes und seine Fähigkeit, große Orchester mit viel Erfolg, viel Geschick und musikalischem Verständnis zu dirigieren. Seine häufigen Konzerte im Rundfunk fanden aufmerksame Zuhörer. Orchester, die auch nur kurzzeitig unter seiner Stabführung gearbeitet hatten, drückten Hoenes ihre unumschränkte Bewunderung – in musikalischer wie menschlicher Beziehung - aus. Es entzog sich seinem Wissen, dass er auf direkte Weisung der Parteileitung in München seinen Abschied aus dem Reichs-Symphonie-Orchester nehmen musste. Freunde aus dem Musikleben setzten sich für ihn ein und er konnte auf Empfehlungen namhafter deutscher Dirigenten verweisen.

Die Zeit der Entlassung von Hermann Hoenes fiel zusammen mit der Verschärfung der Rassengesetzgebung im Dritten Reich. Er wurde als jüdischer Kulturschänder diffamiert. Hoenes selbst bezeichnete sich als angeblichen Juden. Er fiel nicht ausdrücklich unter die Rassengesetze von 1936, die sein Leben physisch bedroht und ihm keineswegs den Rückzug nach Rot ermöglicht hätten. Eventuell stammte er – die Quellen erlauben leider keine eindeutige Rekonstruktion – von jüdischen Vorfahren ab.

Die Sammlung Hoenes

Die Sammlung des Ehepaars Hermann und Feodora Hoenes, die heute zum Bestand des Museums gehört, entstand in den 1930er bis 1960er Jahren. Sie umfasst überwiegend Skulpturen, Porzellan und Kunsthandwerk aus Asien und Europa. Schon Ende der 1920er Jahre erwarb Hermann Hoenes erste ostasiatische Kunstwerke, zu einem Zeitpunkt, als ein verengter Blickwinkel nur nationales Kunstschaffen gelten lassen wollte. Heute erweist sich die Idee des Sammlerpaares, eigene wie fremde Kulturen in ihrer gemeinsamen Aussage zu verstehen, als zeitgemäß – ihre Botschaft der kulturellen Toleranz als zukunftsweisend. Das Leitmotiv des Museums, Begegnungsort der Kulturen zu sein, entstand aus diesem Ansatz heraus.

Die Entstehung des Museums

Die Kunstsammlung des Ehepaars Hoenes, das Anwesen mit Park einschließlich aller Vermögenswerte wurden von Feodora Hoenes in eine Museumsstiftung, die Hoenes-Stiftung, eingebracht, die 1987 mit den Stiftungsvorständen Adolf Fuchsschwanz, Jurist, (1987 – 2016), Kurt Traub, Prokurist, (1987 – 2013) und Josef Pfaff, Bürgermeister im Amt bis 2022, (1987 – heute) gegründet wurde. Am 28. August 1992 nahm das Museum Villa Rot unter der Trägerschaft der gemeinnützigen Hoenes-Stiftung seine Tätigkeit auf. Aus dem Fuggerschlösschen war das Museum Villa Rot entstanden.

Die Entwicklung der Ausstellungsprogrammatik

Dr. Norbert Deuchert und die Stiftungsvorstände standen zu Beginn vor der Frage: Zu welcher Museumssparte sollte das Museum denn gehören? Sollte es beispielsweise ein Kunstmuseum, ein kulturgeschichtliches Spezialmuseum, ein Aktionsraum sein? Wie sich im Laufe der Zeit zeigen sollte: Es wurde vieles von alledem! Entstanden ist ein Museum mit einem eigenen, unverwechselbaren Profil, ein aktives Museum mit Wechselausstellungen und einem breiten wissenschaftlichen und musikalischen Begleitprogramm. Werkschauen mit kultur- und kunsthistorischen Zeugnissen aus Ländern und Regionen wie Japan, Afrika, Tibet oder Indien waren Schwerpunkte in der Tätigkeit Norbert Deucherts. Ab den 2000er Jahren zeigte das Museum Villa Rot zudem Präsentationen mit Werken zeitgenössischer etablierter regionaler Künstlerinnen und Künstler.

Mit der Kunsthistorikerin und Ausstellungskuratorin Dr. Stefanie Dathe wurde ab 2007 eine neue Richtung eingeschlagen. Thematische Gruppenausstellungen, die sich mit inhaltlichen und formalen Grenzbereichen von Kunst, Kultur und Gesellschaft auseinandersetzten, sprachen ein breiteres Publikum an. Während ihrer neunjährigen Amtszeit entwickelte Stefanie Dathe Ausstellungsreihen, die sich einerseits mit der zeitgenössischen Interpretation besonderer, dem Kunsthandwerk oder der Volkskunst entlehnter Werkstoffe befassten und andererseits Themen mit aktueller gesellschaftlicher Relevanz aufgriffen. Scherenschnitt, Wachs oder Haar, Süßwaren, Fleisch, Tattoos, Masken oder Selfies standen mit auf dem Programm. Die Verbindung aus Themenbereichen, die ein breiteres Publikum ansprachen, und den darin präsentierten anspruchsvollen, mitunter aufsehenerregenden Werken in historischem Ambiente steigerte die Popularität des Museums.

Die Ausstellungsprogrammatik des Hauses wird bis heute durch die thematisch gesetzten Schwerpunkte der jeweiligen Direktorinnen und Direktoren maßgeblich geprägt. Von formal-ästhetischen Interessengewichtungen bis zu gesellschaftskritischen Ausstellungskonzepten, besticht das Museum durch Abwechslungsreichtum und inhaltliche Diversität. Dennoch gibt es in der Varianz auch eine sich durchziehende Konstante: Das Ausstellungsprogramm befindet sich stets am Puls der Zeit.

Leitungen des Hauses: Dr. Norbert Deuchert (1992 - 2007), Dr. Stefanie Dathe (2007 - 2017), Marco Hompes M.A. (2017 - 2021), Thomas Schmäschke M.A. (2021 - 2022), Dr. Sophie-Charlotte Opitz (2022 – 2023 als künstlerische Leitung), Dr. Sabine Heilig (ab Herbst 2023 als künstlerische Leitung)

Die Zustiftung der Kunsthalle durch den Künstler Willi Siber

Mit der Kunsthalle erhielt das Museum Villa Rot 2014 einen vom Architekturbüro Hinrichsmeyer & Bertsch entworfenen, preisgekrönten Anbau. Ermöglicht wurde diese räumliche Erweiterung der Ausstellungsfläche, die noch dazu in bemerkenswerter Weise einen zeitgenössischen architektonischen Akzent setzt, durch die zweckgebundene Zustiftung des Malers und Bildhauers Willi Siber. Auch ein Konvolut aus seinem OEuvre hat Willi Siber in den Vermögensstock der Hoenes-Stiftung eingebracht; es umfasst Arbeiten aus mehreren Jahrzehnten und bildet einen repräsentativen Querschnitt durch das wandlungsreiche Gesamtwerk des Künstlers ab.

Seit 2013 ist Willi Siber Vorstandsvorsitzender der Hoenes-Stiftung. 2017 hat er Thomas Knoll, Unternehmer, und 2022 Frank Högerle, Bürgermeister, in den Vorstand geholt. Gründungsmitglied Josef Pfaff ist seit nunmehr 36 Jahren im Vorstand der Hoenes-Stiftung aktiv.

Die Konzerttradition im Museum Villa Rot

Hermann und Feodora Hoenes pflegten die Villa als einen Ort der Kammermusik und empfingen mitunter hohe Gäste – so beispielsweise im Januar 1951 den bekannten Cellisten Ludwig Hoelscher und die berühmte Pianistin Elly Ney, die sich auf dem Blüthner-Flügel im Hause auf ein Konzert in Ulm vorbereitete.

Der Tradition des Hauses Rechnung tragend, realisiert das Museum Villa Rot seit 2006 neben den Kunst-Ausstellungen auch eine exklusive Kammerkonzertreihe mit namhaften Solistinnen und Solisten sowie Ensembles. Der Hoenes-Saal bietet dabei einen idealen Rahmen für einzigartig intensive Musikerlebnisse.

Das Museum Villa Rot kann mit einer weiteren Besonderheit aufwarten: Dem musikalisch begabten Sohn und angehenden Cellisten Hermann Hoenes hatte der Vater im Jahr 1924 ein Cello des italienischen Meisters Paolo Antonio Testore aus dem Jahre 1745 vermittelt. Dieses Instrument, das sich durch einen bemerkenswert warmen Klang auszeichnet, begleitete Hermann Hoenes zeitlebens. Heute ist das Testore-Cello Teil der Hoenes-Sammlung und erklingt noch immer regelmäßig bei Konzerten. Denn die Stiftung stellt das Instrument jeweils für fünf Jahre jungen aufstrebenden und vielversprechenden Cellisten als Leihgabe zur Verfügung.

Der Rote Kunstsalon

Seit dem Jahr 2016 veranstaltet das Museum Villa Rot jedes Jahr im Herbst eine viertätige Kunstmesse, bei der renommierte Galerien aus dem In- und Ausland Arbeiten der von ihnen vertretenen Kunstschaffenden anbieten.